Bäderarchitektur Ostseebad Binz auf Rügen

Mit dem Begriff Bäderarchitektur wird eine Mischform verschiedener Stilelemente vom Klassizismus bis zum Jugendstil bezeichnet, die sich als ein nach außen geschlossenes Erscheinungsbild ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den pommerschen Seebädern herausgebildet hat. Charakterisiert wird diese Stilrichtung durch vorgesetzte Säulen und vielgestaltig verzierte Holzelemente wie Trennwände, Giebelblenden oder Dachüberstände und ihre Freude am Dekorativen.

Ursächlich für die Entstehung der Bäderarchitektur war der Historismus, der in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen Einfluss auch auf die Entwicklung der zu dieser Zeit entstehenden Seebäder nahm. Hinzu kam, dass neue Materialien wie Glas. Eisenguss und Beton sowie die Entwicklung der Dachpappe neue Möglichkeiten der Baugestaltung eröffneten. So entwickelte sich die Bäderarchitektur zu einer gewichtigen Seite der Kulturgeschichte an den Küstenstreifen Pommerns, deren Charme die heutige Attraktivität seiner Seebäder ausmacht.

Die Entwicklung der Bäderarchitektur im Ostseebad Binz wird durch die Art seiner Bebauung deutlich. Während in der neu angelegten Bahnhofstraße die Häuser ein- bis zweigeschossig und eher bescheiden ausgeführt waren, wird die Bebauung zum Ortszentrum hin massiver und höher.

An Straßenkreuzungen werden Wohn- und Geschäftshäuser als Eckhäuser zumeist mit aufgesetzten Türmchen gestaltet. Ausdruck der Vielfältigkeit sind die Balkone, Loggien und Veranden durch die sich vor allem Hotels und Pensionen auszeichnen. Sie bestehen aus Stein, Holz und Metall mit oft filigranen Verzierungen, hinter denen man die frische Meeresluft („Sommerfrische“) genießen konnte, ohne den Sonnenstrahlen ausgesetzt zu sein, und man erhielt sich seine Blässe.

Auch diese Häuser wurden vielfach mit Türme und Türmchen versehen.

Villa Strumvogel Binz Rügen

Mit der zunehmenden Zahl von Gästen ergab sich die Notwendigkeit die Gebäude an den Bedarf anzupassen. So entstand das sog. Loggiahaus, das ein flaches Dach (Dachpappe) aufwies und eine größtmögliche Raumausnutzung bot. Sein entscheidendes Merkmal war das einheitlich mit dem Haus geplante aber als selbständiges Bauteil nachträglich vorgesetzte Loggiagerüst, das der meist sehr schlicht gehaltenen Putzfassade durch seine ornamentale Ausgestaltung ein dekoratives Äußeres verlieh. Diese vorgesetzten meist doppelgeschossigen, ursprünglich offenen Holzloggien-konstruktionen sind im Binz noch sehr zahlreich anzutreffen. Die nachträgliche Verglasung , vor allem durch den erhöhten Raumbedarf nach dem Krieg, führte jedoch bei vielen Häusern bereits zu einem Verlust an Leichtigkeit und Identität.

Weitere ökonomische Zwänge führten dann zu einer fortschreitenden Abkehr von der Ornamentik, die einen Restaurierungsaufwand nicht mehr gestattete.

Auch bei der Villa Sturmvogel wurden nach dem Krieg die zunächst offenen Loggien verglast.

Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands gelang es, durch erhebliche Sanierungs- und Restaurationsarbeiten vielen Häusern den Glanz der Bäderarchitekturzeit zurückzugeben.

Bäderarchitektur Ostseebad Binz

Bei der Villa Sturmvogel wurden die Balkone bei der Sanierung des Hauses voll in das Gebäude integriert, der Turm aus der Mitte des Hauses an die Vorderseite verlagert und erhöht. Prägendes Element der seeseitigen Front ist das rundbogig angelegte Eingangselement. Um eine Auflockerung auf der dreiachsigen schlichten Gebäudeseite zu erhalten, sind die alten Zierbänder im Putz, die eine gliedernde Funktion haben, wieder hervorgehoben worden.

So hat das Haus heute eine eher klassizistische Formensprache erhalten, aber auch dies ist Bäderarchitektur.